Wie führe ich ein Unternehmen durch eine Krise
Die aktuelle Situation macht uns allen Angst und bereitet insbesondere vielen Beschäftigten, aber auch den Arbeitgeber:innen große Sorge im Hinblick auf die Zukunft. Durch die neu verordneten Auflagen für Unternehmen, z.B. Mitarbeiter:innen ins Home-Office zu schicken oder Zwangsurlaube auf zu erlegen, kommt es in vielen Firmen und Unternehmen zu regelrechten Ausnahmezuständen. Es herrscht auf allen Seiten Ungewissheit, sowohl für Unternehmen als auch für alle Bürger:innen.
• Wie soll es mit unserem Unternehmen in dieser Coronakrise weitergehen?
• Wie können wir unsere Mitarbeiter:innen schützen?
• Worauf müssen wir achten?
• Was ist zu tun, um weiterhin produktiv bleiben zu können?
• Werden wir große Verluste machen?
Bekannt ist, dass Krisen meist nicht planbar sind. Es gibt jedoch allgemeine Charakteristika, welche es ermöglichen, sich darauf vorzubereiten und Krisenstäbe zu errichten. Die Frage ist, wie wir in Bezug auf eine Krise das richtige Verhalten finden. Im Nachfolgenden werden Handlungsempfehlungen, Hilfestellungen sowie Ratschläge zur Bewältigung einer Krise erläutert. Zusätzlich haben wir Ihnen einige hilfreiche Tipps und Handlungsanweisungen zusammengefasst, die Sie durch solche Krisensituationen führen können.
Wichtigkeit vor Dringlichkeit
Krisensituationen sind in aller Regel durch Zeit- und Entscheidungsdruck geprägt. Egal, ob beispielsweise die Presse Druck ausübt, ganz schnell neue Regeln und Pläne entstehen müssen oder die veränderten Zustände schnelles Handeln verlangen, Dilemma Situationen gehen meist einher mit einer gewissen Dringlichkeit. Durch den hinzukommenden Mangel an Kräften und Ressourcen, insbesondere in der Anfangsphase, entstehen oft erhebliche Zielkonflikte. Für diese gibt es nur eine Lösung: Prioritäten setzen! Weil die Kräfte und Ressourcen nicht ausreichen alles anzugehen und zu erledigen, müssen manche Sachen hintenangestellt werden oder gar als Aufgaben gestrichen werden. Anstatt alles zu versuchen, sollte man besser weniges richtig machen.
Fragen Sie sich:
Worum geht es?
Was können wir tun, um den Eskalationsprozess zu unterbrechen und weitere Schadensausbreitung zu verhindern?
Trennung von Prozessorganisation und Problemlösung
Gerade zu Beginn herrschen viele Bedenken, da alles noch sehr ungewiss und undefiniert ist. Es mangelt in erster Linie an ausreichend Zeit, Transparenz und Informationen. Genereller Druck ist vorhanden und das Chaos ist spürbar.
Jeder ist gewillt, seine Meinung, Vorschläge und Ideen einzubringen oder ein Beitrag zur Lösung zu machen, obwohl noch keine Problemdefinition vorliegt, weder Dokumentation noch eine konkrete Lagedarstellung sind vorhanden.
Daraus resultiert das erste Ziel: Der Chef oder die Chefin des Krisenstabs muss diese chaotische Phase beenden und Strukturen aufbauen. Erst wenn die strukturierte Prozessorganisation geschaffen ist, wird mit dem lösen des Problems angefangen. Begonnen wird mit der Stabsbesprechung, welche die Stabsarbeit einleitet.
Daher ist es notwendig, Strukturen aufzubauen, um die chaotische Phase zu beenden. In dieser sogenannten chaotischen Phase sind die Krisenstabsmitglieder zwar engagiert, eine Struktur ist jedoch nicht zu erkennen.
Kritischen Situationen erfordern ein hohes Maß an Standardisierung
Aus bereits gemachten Erfahrungen wurde die Erkenntnis gezogen, dass die Prozesse der Entscheidung in kritischen Situationen standardisiert erfolgen müssen. Das Ziel dabei ist, die negativen Einflüssen von Bedrohungen, Unsicherheit sowie der knappen Zeit zu minimieren.
Die Stabsarbeit folgt immer einem modellhaften Prozess. Zudem ist eine exakte Struktur der Informationsverarbeitung erforderlich, die meist als Regelkreis erfolgt.
Dieser besteht aus folgenden Schritten:
1. Lagefeststellung
2. Lagebeurteilung
3. Entscheidung
4. Maßnahmenumsetzung
5. Kontrolle
Wichtig hierbei ist die richtige Umsetzung, um Fehler zu vermeiden. Häufig werden Lagefeststellung und Lagebeurteilung nicht mehr getrennt betrachtet sondern verschmelzen miteinander. Ebenso kommt es häufig dazu, dass Entscheidungen gar nicht oder zum falschen Zeitpunkt getroffen, sowie ungenau und zu allgemein benannt werden, sodass sich niemand konkret angesprochen und verantwortlich fühlt.
Ein strukturiertes Lösen des Problems sowie Kontrolle sind durch die Einhaltung des „Zyklus der Stabsarbeit“ möglich. (thematisches Vagabundieren; Dörner 1989)
An alle Führungskräfte: Bitte nicht mit anpacken!
In Krisensituationen muss der oder die Leiter:in frei von Arbeit gemacht werden. D.h. die Führungskraft soll nicht selbst mit anpacken oder operative Aufgaben erledigen, sondern sich ausschließlich auf die Steuerungs- und Entscheidungsfunktion fokussieren. Wenn eine Führungskraft selbst mitarbeitet kann es schnell passieren, dass sie den Überblick sowie die notwendige Distanz verliert und sich nicht mehr auf die Kernaufgabe von Führung und Entscheidung fokussieren kann. Hier gilt also nicht, wie allgemein oft angenommen, dass die „Macher“ in der Krise selbst mit anpacken sollen. Das ist eher kontraproduktiv und erschwert das Krisenmanagement.
Dazu ist es ebenfalls wichtig, dass alle Aufgaben, Veranwortungsbereiche und auch die jeweiligen Rollen der involvierten Personen insbesondere der Stabsmitglieder ganz klar ver- und aufgeteilt sind. Es darf zu keiner Verantwortungsdiffusion kommen. Auch muss es ganz strikte und vor allem definierte Führungs- und Verantwortungsregelungen geben.
Sie beherrschen die Lage – nicht umgekehrt!
Lasse ich mich durch die Situation beherrschen oder beherrsche ich die Situation?
„If you don´t manage issues, issues will manage you.“ (Heath & Nelson 1986, S.9)
Das bedeutet, dass sich der Krisenstab nicht beherrschen und treiben lassen darf. Sein Wille muss es sein, schneller zu sein und die Entwicklung vorwegnehmen.
Es sollte ein Übergang vom einfachen Handeln zum vorausschauenden Denken stattfinden. Nur durch das Prognostizieren ist eine reale Chance da, Eskalationsprozesse noch vor Auftreten des großen Schadens zu durchbrechen oder zumindest einzudämmen. Notwendig ist die Einführung der systemische Problemanalyse (Vester 2002), welche dazu beiträgt, die komplexen Zusammenhänge der Situation zu verstehen und zu analysieren, sowie die Distanzierung des monokausalen Ursache-Wirkungs-Denken.
Positiv Führen trotz „Worst-Case“-Denken
Das „Worst-Case“-Denken bringt positive Aspekte mit sich. Es führt dazu jede Verschlechterung der Situation nicht als Frustrationserlebnis aufzufassen, da bereits zu Beginn vom schlechtesten Fall ausgegangen wird. Weiter führt es dazu, dass jede Verbesserung der Situation als ein motivierender Erfolg aufgefasst wird, welcher wiederum für psychologische Stabilität sorgt.
Der oder die Chef:in des Krisenstabs kann die Mitglieder:innen trotz „Worst-Case“-Denken positiv führen. Es kann einerseits Zuversicht vermittelt werden sowie der Fokus auf ein positives Ergebnis gelegt werden. Schon allein die Formulierung einer Fragestellung trägt einen großen Teil dazu bei, wie ein Ergebnis oder eine ganze Situation interpretiert wird. Zum Beispiel wenn man sagt: „Was ist noch einsatzfähig?“ Anstatt der Formulierung: „Was ist alles zerstört?“
Etablierung einer konstruktiven, offenen und selbstkritischen Gesprächskultur
Um sicher zu stellen, dass die erarbeiteten wesentlichen Informationen der Berater und Unterstützer des Stabs, auch von den Entscheidern gehört werden, muss eine konstruktive Gesprächskultur geschaffen werden. Nur wenn die gesamtverantwortlichen Entscheiden sich auch beraten lassen und z.B. Personen mit relevantem Wissen, aber geringem Status, Gehör schenken, kann eine erfolgreiche Kommunikation in einer Krisensituation entstehen. Es sollte daher von den Leitern und Leiterinnen des Stabs eine offene, ehrliche und selbstkritische Gesprächsatmosphäre geschaffen werden. Diese hat einen enormen Einfluss auf die Qualität und schlussendlich den Erfolg von Entscheidungen.
Kein Zutritt!
Vermeiden Sie in Krisensituationen Unruhe, insbesondere im Krisenführungsraum, der oft eine magische Anziehungskraft auf andere Personen ausübt. Der Zutritt zu diesem Raum sollte daher nur für autorisiertes Personal gewährt sein und das erst nach einer entsprechenden Zugangskontrolle. Dies mag für den ein oder anderen möglicherweise etwas überdreht klingen, doch in echten Krisen kann das große Vorteile bringen. Oft entsteht große Neugierde auch unter Personengruppen, die gar nicht direkt beteiligt sind oder nicht dem Krisenteam angehören. Sie möchten sich häufig „direkt informieren“ und die Infos aus erster Hand erhalten. So kommt es nicht selten zu einem „Krisenstabtourismus.“ Das verursacht aber Unruhe, wodurch es im Team zu Konzentrations- und Zeitverlusten kommt.
Entscheidungen treffen statt „Aussitzen“
Die Entscheidungsfähigkeit zu bewahren ist in Krisensituationen essentiell. Sie stellt die zentrale Aufgabe der Führung dar und sollte daher auch unter keinen Umständen vermieden werden. Häufig haben Personen Angst in Entscheidungssituationen die falschen Beschlüsse zu fällen und verzichten daher lieber darauf. Doch hier nützt es weniger Misserfolge zu meiden, als das Risiko falscher Entscheidungen einzugehen. Auch die Gabe schnell Entscheidungen zu treffen ist in Krisensituationen von Vorteil. Es ist meist besser die zweitbeste Entscheidung zur rechten Zeit zu fällen, als eine Ideallösung zu finden, die unter Umständen zu spät daherkommt. Darum sind Entscheidungen in Krisen immer auch eine Gratwanderung zwischen Gründlichkeit und Schnelligkeit und das „Aussitzen“ von Entscheidungen in fast allen Fällen die schlechteste aller Führungstrategien. Versuchen Sie daher als Führungskraft stets mutig zu sein und nicht tatenlos zuzusehen.