Unglaubliche 92 Prozent der Unternehmen sehen angesichts der digitalen Transformation die Notwendigkeit zur Reorganisation, Umstrukturierung und Neuaufstellung. Und wie es bei Restrukturierungen nun einmal üblich ist: Es werden Köpfe rollen. Hierarchien sollen flacher werden, Entscheidungswege verkürzt und Prozesse schlanker und vor allem agiler werden. Aber Moment mal…! Bedeutetet das nicht…? Dass der Rotstift dann vor allem beim Management angesetzt werden müsste?
Betrachtet man den hierarchischen Aufbau der Firma Morning Star, einer der größten Tomatenspeditionen der Welt, ist der Überblick schnell verschafft. Sekundenschnell. Denn: Es. Gibt. Nichts.
- keine Manager
- keine Richtlinien
- keine Titel
Top-Down ist ein Fremdwort bei Morning Star. Als Firmengründer Chris Rufer die Spedition vor mehr als 40 Jahren gründete, die seitdem mit ihren Trucks Tag für Tag Konservenfabriken mit Tonnen von Tomaten beliefert, stand er vor der Frage: Wie die LKW-Fahrer führen?
Leader: Führen ohne Führung – geht das?
Keine der Hochglanztheorien, die er in seiner Studienzeit gelernt hatte, lieferten im Fall Morning Star Antworten. Sollte er seinen Truckern einen Trainer an die Seite setzen oder enge zeitliche Vorgaben machen? Wie motiviert wäre seine Mannschaft dann noch? Rufer beobachtete seine Leute eine Weile und kam zu dem Schluss: „Ich überlasse sie sich selbst.“
Rufer vertraute einfach auf ihre Fähigkeit, sich selbst zu organisieren. Eigentlich ein einfacher Gedanke, der in Managementzirkeln aber vor rund einem Jahrhundert abgeschafft wurde.
Leader: Die Kraft der Selbstorganisation
Bei Morning Star hat es funktionert: Inzwischen arbeiten in der Hochsaison mehr als 2.400 Mitarbeiter in dem Betrieb. Gut, mögen Kritiker nun sagen. Das Unterfangen hat geklappt, weil es sich „nur“ um mindere Arbeiten handelt. Die sind von Natur aus nun einmal leicht zu organisieren.
Diesen Stimmen sei folgendes entgegen gerufen: Warum gestaltet sich die gelebte Realität in der Mehrzahl der Logistik- oder Lieferbetriebe dann diametral entgegengesetzt? Hier werden Leute mit Minimallöhnen abgespeist. Die Anforderungen, die es derweil zu erfüllen gilt, sind dagegen maximal hoch und bis ins kleinste Detail vorgegeben. Ganz so selbstverständlich scheint es also nicht zu sein, dass sich so genannte „einfache“ Arbeiten von selbst erledigen.
Leader: Manager sind überflüssig!
Noch einen Schritt weiter geht in diesem Zusammenhang der US-amerikanische Unternehmer Ben Cohen. In seinen Augen hängt der Erfolg des Prinzips der Selbstorganisation keineswegs von der Komplexität einzelner Aufgaben ab. Er ist überzeugt: „Das Management ist nicht annähernd so notwendig, wie es denkt.“ Bereichsübergreifend wohlgemerkt!
Eine Erkenntnis, mit der der Rufer nicht allein da steht. So kommt auch die Deloitte University in einem aktuellen Paper über zeitgemäße Führung zu einem eindeutigen Schluss:
„After three years of struggling to drive employee engagement and retention, improve leadership, and build a meaningful culture, executives see a need to redesign the organization itself, with 92 percent of survey participants rating this as a critical priority. The „new organization,“ as we call it, is built around highly empowered teams.“
Von völlig neuen Organisationsstrukturen und sich selbst verantwortenden Teams ist auch hier wiederum die Rede… Die Abschaffung des Managements – also doch nicht nur vorbehalten auf Unternehmen, die Tomaten hin und her kutschieren?
Leader: Die Entstehung des top-down Gedankens
Offenkundig nicht! Gehen wird nochmal zurück in die Geschichte des klassischen Industriedesigns. Entwickelt wurde es in einer Zeit, in der Fehler teuer waren und nur Führungskräfte über Informationen verfügten. Weil Kommunikation vor der Ära von E‑Mail oder Smartphone erheblich zäher vonstatten ging, minimierten Firmen das Risiko von Fehlern, indem Entscheidungen von den wenigen, die die Informationen hatten, getroffen wurden. Sie gaben vor, der Mitarbeiter führte aus.
Heute, da Kommunikation über den ganzen Globus hinweg in Echtzeit funktioniert – dem mobilen Internet sei Dank -, ist das anders. Wissen ist jederzeit verfügbar. Hinzu kommt, dass das Gross der Mitarbeiter erheblich besser ausgebildet ist, als es die Arbeiter vor 100 Jahren noch waren, die im Schnitt mit 14 oder in noch jüngeren Jahren in Lohn und Brot standen. All das spricht dafür, Arbeitnehmern ihr Gehirn zurückzugeben, sie an Entscheidungen zu beteiligen.
Notwendig ist das aber noch aus einem ganz anderen Grund geworden: Die Digitalisierung beschleunigt alle Prozesse. Nie war der Innovationsdruck für Firmen so hoch. Schnelle Erneuerung oder Weiterentwicklung funktioniert aber nur mit Mitarbeitern, die mitdenken und nicht von einem komplexen Hierarchieüberbau ausgebremst werden. Und mehr als je zuvor haben sie das Zeug dazu.
Leader: Ein neues Organisationsmodell muss her!
Und so verlangt alles nach einem neuen Organisationsmodell, basierend auf der Vorstellung, dass Menschen intelligent und motiviert sind und nicht verwaltet werden müssen. Damit das gelingt, bedarf es
- Flacher Hierarchien
- eine gemeinsame Entscheidungsfindung
- Loslassen von Kommando und Kontrolle
Der Gedanke ist nicht einmal neu. Seit Jahrzehnten praktizieren Hunderte von sehr großen Unternehmen mit einer Belegschaft zwischen 5.000 und 65.000 Männern und Frauen dieses partizipative Modell. Und ihre Zahl wächst. Schnell sogar. Diese Unternehmen zeichnen sich aus durch die strikte Abkehr von einer Steuerung, die auf Befehl und Hierarchien basiert.
Nicht zuletzt auch durch Entscheidungen auf den Ebenen, auf denen die Arbeiten durchgeführt werden. Letztes ist kein ganz blöder Gedanke: Möglich wäre es ja, dass jene, die eine Idee entwickeln und umsetzen auch besser darüber urteilen können als die Etage oben drüber… Aber das nur nebenbei.
[su_box title=“→“ box_color=“#02632e“ radius=„0“ class=„spivbox“] Der Einstieg in ein neues Führungsdesign ist nicht leicht. Startet man ihn aber in einem Pilotbereich im Kleinen und bereitet den Kulturwandel gut vor, indem die Geschäftsführung und Führungskäfte aktiv in das Experiment mit klaren inhaltlichen Zielvorgaben und verbesserten Ergebnisbeiträgen integriert werden, steht das Gelingen außer Frage.
Wir beraten Sie gerne:
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Leader: Selbstverantwortliche Teams…
Zurück zu den Teams, die sich in modernen Unternehmen selbst organisieren. Manager gibt es nicht, anfallende Verwaltungsaufgaben werden in der Abteilung aufgeteilt. Diese Teams entscheiden selbst, wen sie anheuern … ober eben auch feuern. Sie disziplinieren sich selbst und legen die Machbarkeitsgrenzen für den eigenen Erfolg fest.
Kurzum: Diese sich selbst führenden Teams machen alles, was ein Manager früher auch getan hat, aber verteilt auf verschiedene Personen. Wozu führt das? Chaos? Anarchie? Das Gegenteil ist der Fall:
- schnelleres Wachstum
- bessere Margen
- höhere Produktivität
- geringere Personalfluktuation
- bessere Produkte
Wenn dieses Design so erfolgreich ist, warum machen es dann nicht alle? Nun, der Mensch ist nun einmal ein Gewohnheitstier. Was seit mehr als hundert Jahren an Hochschulen als der einzige und beste Weg gelehrt wird, um Geschäfte zu machen, wird nicht von heute auf morgen über Bord geworfen. Und natürlich ist auch die Angst vor Kontroll- und Machtverlust etablierter Manager nicht zu unterschätzen. Keiner sägt schließlich gerne am eigenen Ast…