Globalisierung und Digitalisierung wandeln Gesellschaft und Wirtschaft in einem Tempo, das seinesgleichen sucht. Diese Transformation ist Risiko und Chance zugleich. Jedoch erfordert der damit verbundene Veränderungsdruck in Organisationen an vielen Stellen neue Strukturen und Führungsmodelle. Mitunter ist ein totaler Kulturwandel angesagt. Auch bedarf es neuer Kompetenzen, um in den schnelllebigen Märkten von heute mehr Agilität zu gewährleisten. Nur so können Unternehmen mit dem Wettbewerb mithalten. Das setzt voraus, dass sich die Organisation als Ganzes und in ihr jeder einzelne Mitarbeiter gleichermaßen entwickeln kann. Welche Voraussetzungen dafür erfüllt werden müssen…
Die Managementberatung Kienbaum hat gefragt und Leader haben geantwortet. In einer groß angelegten Studie untersuchte sie unter anderem die Faktoren, denen es bedarf, um ein Unternehmen agil zu machen. Doch bevor wir in Media Res gehen, vorab eine Begriffs-Klärung: Was genau ist unter Agilität in Unternehmen zu verstehen?
Agilität: Definition und Begriffserklärung
Unter Agilität wird die Fähigkeit eines Unternehmens bzw. einer Organisation verstanden, erstens schnell, kurzfristig und adäquat Veränderungen und Ereignisse in der Unternehmensumwelt wahrzunehmen. Zweitens bedarf es einer weiteren Fähigkeit, um als Unternehmen agil zu sein: Die Reagibilität, also die Begabung, schnell und flexibel im Markt, in der Organisation und in der Umwelt des Unternehmens zu agieren bzw. zu reagieren.
Agilität und Reagibilität sind Metakompetenzen, die Unternehmen besonders in Zeiten brauchen, in denen die Umwelt durch Instabilität, schnelle und abrupte Veränderungen, Dynamik und langfristige Nichtvorhersehbarkeit, gekennzeichnet ist. Nur so können Organisationen schneller auf Veränderungen reagieren. Einflussfaktoren sind:
- Hohe Wettbewerbsintensität in der Branche und im Markt des Unternehmens
- schnelle technologische Veränderungen in der Branche und im Markt des Unternehmens
- häufige und abrupte Änderungen von Kundenpräferenzen und ‑verhalten im Markt des Unternehmens
- ständiger und schneller Wandel von Umwelt und Rahmenbedingungen des Unternehmens wie etwa nicht vorhersehbare Veränderungen in Gesetzgebungen, die einen deutlichen Einfluss auf die Unternehmensentwicklung haben
Agilität: Welche Unternehmen nicht darauf verzichten können
In Zeiten der digitalen Transformation sind diese Einflussfaktoren für praktisch alle Unternehmen spürbar. Nie veränderten sich Marktdynamiken und –zyklen sowie Kundenanforderungen so rasant wie heute. Parallel dazu gehen der Wirtschaft die Fachkräfte aus. Für Unternehmen resultiert daraus ein Mix aus Unwägbarkeiten und Unsicherheiten: Nie erwarteten Konsumenten in kürzerer Zeit neue Produkte, nie ging Marktführern schneller die Puste aus, konnten sie gestiegenen Ansprüchen und Erwartungshaltungen nicht genügen Diagnose: Agilitätsmangel.
Damit ein Unternehmen agil ist, muss es bestimmte individuelle oder organisationale Kompetenzen, Infrastrukturen oder Merkmale besitzen, die es zur Agilität befähigen. Laut der Kienbaum-Studie sind das:
- eine kontinuierliche Markenentwicklung
- Mitarbeiter sollten offen für neue Ideen und Methoden sein
- Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter
- Kernkompetenzen werden fortlaufend erweitert
- Bereiche sind auf Kundenanforderungen ausgerichtet
- Topmanagement trifft schnell Entscheidungen
- starke Vertrauenskultur mit vielen Freiräumen
- Strategieentwicklung und ‑monitoring als kontinuierlicher Prozess
- Zeit und Ressourcen für Entwicklung neuer Ideen
- durchlässige Hierarchie
- Entscheidungen werden schnell umgesetzt
- Aus Fehlern wird nachhaltig gelernt
- Managementsysteme unterstützen flexibles und schnelles Handeln
- Neue Technologien zur Kommunikation (Social Media)
- Wissen der Belegschaft wird zur Produktentwicklung genutzt
- Neue Technologien zur Zusammenarbeit (kollaborative Software)
- Mehrere Lösungen für Probleme sind parat (What-if-Szenario)
Agilität in Unternehmen: Schluss mit Top-Down! .…oder?
Unterm Strich geht Agilität auf den ersten Blick mit einer totalen Abkehr von dem Top-Down-Prinzip einher. Hin zu Bottom-Up lautet die Devise. Das macht auch Sinn! Schließlich stammt Top-Down aus einer Zeit, in der Fehler teuer waren und nur Führungskräfte über Informationen verfügten: Weil Kommunikation vor der Digital-Ära mangels E‑Mail oder Smartphone zäher vonstatten ging, minimierten Firmen das Risiko von Fehlern, indem Entscheidungen von den wenigen, die die Informationen hatten, getroffen wurden. Den Leadern.
Agilität: Was zur Umsetzung nötig ist
Im Gegenteil sollten diese durch Innovations-Methoden wie Design-Thinking befähigt werden, das Unmögliche zu denken. Hierbei gibt es Kern-Methoden – oder besser gesagt – Kern-Fragen, deren Beantwortung helfen kann, aus einem guten Produkt ein noch besseres zu machen:
- Die Skalierung einer Idee: Think Big lautet die Devise. Wie ließe sich die bisherige Arbeit mit dem zehn- oder dem 100-fachen des Budgets oder in zehn oder 100 Jahren erledigen? Welche Möglichkeiten bestehen, sich diesem Ideal unter den gegebenen Bedingungen bestmöglich anzunähern?
- Der Perspektivenwechsel: Wie würden Giganten wie Superman, Steve Jobs oder Einstein ein Problem lösen?
- Diese beiden Techniken sind Variationen des „Was-Wäre-Wenn-Szenarios“: Was wäre, wenn das Produkt vor dem wir sitzen nur eine Beta-Version wäre? Wie würde die nächste revolutionäre Version aussehen? Lässt sich diese schon heute umsetzen und dadurch Kundenwelten neu erlebbar werden? Lohnt sich Agilität für unser Unternehmen?
Kling vielversprechend, nicht? Logisch, dass viele Entscheider der C‑Ebene ihren einstigen Traditionsbetrieb heute schnellstmöglich zur agilen Kreativschmiede umbauen wollen, wo größtmögliche Freiheit auf maximal eigenverantwortliche Mitarbeiter trifft. Aber halt! Es gilt mit Bedacht vorzugehen!
Koexistenz verschiedener Organisationsformen
Denn auch in unserer Zeit gibt es nicht nur hochkreative Köpfe. Und: nicht jeder Manager fühlt sich in einem agilen Netzwerk zuhause. Warum dann also dieses Entweder/Oder? Warum entweder Top-Down oder Bottom-Up? Könnte die Lösung für ein perfektes Organisationsdesgin nicht irgendwo zwischen agilem Netzwerken und dem Modell „Weisung und Kontrolle“ liegen?
Faktisch koexistieren beide Formen bereits in Unternehmen. Genau dieses Zusammenspiel ist es auch, das Firmen produktiv und leistungsfähig macht. Ein Beispiel: effiziente Arbeit an Fließbändern funktioniert am besten über Weisung und Kontrolle. Kreative Wissensarbeit im gleichen Haus verlangt hingegen agilere Formen. Fazit: Der Erfolgsfaktor für funktionierende Managementsysteme ist in einem optimalen Zusammenspiel zwischen Organisationsdesign und Selbstverständnis der Mitarbeiter zu suchen.
Doch die meisten Managementsysteme sind nur auf eine Dimension der Personalführung ausgelegt, meist auf Weisung und Kontrolle. Das kann gravierende Folgen haben. Nicht selten beginnen beispielsweise die freiheitsaffinen Teile des Unternehmens, die sich bei allzu strikten Vorgaben eingeengt fühlen, unterhalb des Radars der Geschäftsführung zu agieren. Sie bilden eine so genannte Schattenorganisation, in die sie sich zurückziehen, weil sie ihre individuellen Gestaltungsfreiräume vermissen.
Agilität in Unternehmen: nicht für jeden das optimale Prinzip
Dort, wo ausschließlich Bottom-Up gelebt wird, sind Teile der Organisation schnell überfordert. Gibt es auf einmal keinen Vorgesetzten mehr, der Entscheidungen trifft, müssen die Mitarbeiter viel Zeit in Abstimmungen mit Kollegen investieren, um einen Konsens zu erzielen. Das kostet Kraft. Und aus der agilen wird schnell eine überforderte Organisationseinheit.
Ein Dilemma, für das es aber eine Lösung gibt. Wollen Unternehmen ihre Strukturen dahingehend verändern, dass sie den Bedürfnissen aller Mitarbeiter genauso wie den Anforderungen des Marktes gerecht werden, müssen sie zunächst ihren Status Quo bestimmen. Erst dann können sie sich die Frage stellen: Quo vadis – wohin soll’s gehen? Und im dritten Schritt können passgenaue Lösungen geschaffen werden. Wie diese in Ihrem Unternehmen aussehen könnten? Das erurieren wir mit Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch.