Kulturwandel
Transformation ist nichts ohne Kulturwandel
Die Ergebnisse der erst kürzlich veröffentlichten Studie zur politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Haltung der Nachwende-Generation, hat unsere LeadGrenn-Redaktion auf ein typisches Problem im Changemanagement von Unternehmen aufmerksam gemacht. Die Studie ergab, dass auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch große Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland herrschen. Für uns stellt diese kulturelle Spaltung ein Beispiel für einen notwendigen Kulturwandel dar, den betroffene Unternehmen bei ihrer Transformation zwingend berücksichtigen müssen.
Die Einbindung dieses Wertewandels in das Unternehmensleitbild scheint damit nahe liegend, dennoch wird eine Transformation in etlichen Unternehmen ohne einen entsprechenden Kulturwandel vorgenommen. Dabei könnten viele Unternehmen so ganz nebenbei und spielerisch ihre gesellschaftliche Verantwortung zum Ausdruck bringen. Im nachfolgenden Artikel gehen wir genauer auf den Ost-West-Konflikt und die Ergebnisse dieser neuen Studie ein, zeigen auf wo die Unterschiede in der Nachwende-Generation liegen und werfen dadurch einen neuen Blickwinkel auf diese Leistungskultur. Wir klären, inwiefern Unternehmen diesen Konflikt bei Ihrer Transformation berücksichtigen müssen und warum das Unternehmensleitbild als Spiegel der gesellschaftlichen Werte und Ansichten der eigenen Mitarbeiter und Kunden angesehen werden kann.
Ost-West-Konflikt – Ein bekanntes Problem
Die Spannungsverhältnisse zwischen Osten und Westen existieren noch immer. Entfernen wir uns von Deutschland und schauen auf unseren gesamten Planeten, so sehen wir noch immer Differenzen zwischen dem Osten und den nichtkommunistischen Staaten des Westens. Was 1917 seinen Anfang mit dem Machtantritt der Bolschewiki in Russland genommen hat, in der Zeit des Zweiten Weltkrieges wieder abflachte, erreichte dann im eigentlichen Ost-West-Konflikt mit dem Kalter Krieg von 1947 bis 1989 seinen Höhepunkt. Dieser Konflikt entstand in erster Linie zwischen den damaligen Supermächten: den Westmächten unter Führung der USA und dem sogenannten Ostblock unter Führung der Sowjetunion. Was sich in groß auf der gesamten Welt abspielte, fand auch in kleiner Version in Deutschland statt.
Von 1949 bis zur Wiedervereinigung im Jahre 1990 gab es eine Spaltung Deutschlands. In dieser Zeit existierten auf dem Gebiet Deutschlands zwei getrennte Staaten: die Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD). Diese Teilung war ein Ergebnis des bereits erwähnten Zweiten Weltkrieges sowie des anschließenden Kalten Krieges. Durch die Berliner Mauer wurde diese Teilung Deutschlands in Osten und Westen letztendlich auch wahrhaftig und räumlich in Form eines Grenzbefestigungssystems der DDR umgesetzt. 28 Jahre lang trennte so eine Mauer, als innerdeutsche Grenze, Westdeutschland von Ostdeutschland.
Was ist mit unserer Nachwende-Generation?
Am Abend des 9. November 1989 wurde die Berliner Mauer im Zuge der politischen Wende geöffnet. Gefolgt wurde dieses Ereignis wenig später vom Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland. Die sogenannte Wiedervereinigung fand am 3. Oktober 1990 statt.
In diesem Jahr, am 9. November 2019, jährt sich die Feier zum Fall der Berliner Mauer als Startschuss der Wiedervereinigung zum 30. Mal. Nicht nur in Berlin wird dieses Ereignis über das gesamte Jahr groß gefeiert und mit etlichen Veranstaltungen, Festen und Events dargestellt, dass Deutschland (wieder) vereint ist.
Vereint – oder immer noch gespalten? – 30 Jahre nach der Wiedervereinigung
Wir stellen uns die Frage, ob diese Einheit denn auch tatsächlich in Ihrer Ganzheit besteht oder ob es noch immer Unterschiede zwischen Ost und West gibt und noch immer eine gewisse Spaltung zwischen West- und Ostdeutschland herrscht.
Diese Bedenken machen sich beispielsweise dann breit, wenn man neuste Studien zu dieser Thematik betrachtet. Besondere Beachtung wird dabei der Nachwende-Generation geschenkt. Die nach 1989 Geborenen haben sowohl die Teilung Deutschlands als auch die Mauer gar nicht mehr selbst miterlebt und kennen die Spaltung Ost von West nur durch Erzählungen der älteren Generationen. Für sie dürfte eigentlich kein Anlass zur Differenzierung und Spaltung von Ost- und Westdeutschland herrschen. Sie kennen Deutschland doch nur als ein gemeinsames Ganzes, als Einheit und nicht als gespaltene Nation – oder?
Um diese Frage „Vereint – oder immer noch gespalten?“ und um die Haltung zur Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, der Nachwende-Generation geht es in der OBS-Studie 2019. Innerhalb dieser repräsentativen Erhebung, erforschte die Otto Brenner Stiftung mit einem Forscherteam um Rainer Faus vom Beratungsinstitut Pollytix in wie fern die Einstellungen der Nachwende-Generation, die im vereinten Deutschland geboren wurde, noch in Ost und West gespalten ist.
Vereint – oder immer noch gespalten?
Bei Betrachtung der Studienergebnisse dieser repräsentativen Erhebung wird deutlich, dass auch in den Köpfen der Nachwende-Generation noch immer keine vollkommene Einheit herrscht. Die von dieser Generation nie erlebte Mauer, scheint in deren Einstellung und Wahrnehmung noch immer zu existieren. Für die junge Generation bestehen scheinbar noch immer Differenzen hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation sowie in Bezug auf die Einstellungen zu Politik und Gesellschaft.
Bei der Analyse der Studienergebnisse lässt sich beispielsweise feststellen, dass junge Ostdeutsche seltener als junge Westdeutsche mit den Leistungen unserer Demokratie zufrieden sind. Tendenziell scheint allerdings die gesamte Nachwende-Generation nur wenig zufrieden zu sein. Gerade einmal die Hälfte der jungen Ostdeutschen schätzen die demokratischen Leistungen. Bei der westdeutschen Nachwende-Generation sind es immerhin knapp 60 Prozent.
57% Westdeutschen & nur 33% Ostdeutschen finden, dass es heutzutage keinen Unterschied mehr macht, ob man aus West- oder Ostdeutschland kommt.
Dementsprechend hoch ist die Politikverdrossenheit, allerdings in beiden Gruppen. Von den Befragten glauben 60 Prozent, dass sie keinen Einfluss auf die Machenschaften der Regierung haben. In den Augen vieler Nachwendekinder besteht für die Bürger Deutschlands nahezu kein Mitbestimmungsrecht.
Jeder fünfte Nachwende-Bürger in Ostdeutschland fühlt sich mehr als „Ostdeutscher“ denn als „Deutscher“.
Quelle: Otto Brenner Stiftung (2019): OBS-Arbeitsheft 96, Faus, Storks, Frankfurt am Main, S. 29.
Hinsichtlich des Gerechtigkeitsempfindens gibt es wiederum erneut Unterschiede innerhalb der Nachwende-Generation. Während etwas mehr als die Hälfte der Westdeutschen den Eindruck haben, dass es in der Gesellschaft gerecht zugeht, sind nur 41 Prozent der Ostdeutschen dieser Meinung. Die gefühlte und wahrgenommene Gerechtigkeit scheint für die im Osten lebende Nachwende-Generation also gering zu sein. Sie fühlen sich häufig ungerechter behandelt als der westliche Teil Deutschlands. Erschreckend ist auch, dass sich ganze 26 Prozent der Nachwendekinder im Osten nach einem starken Führer sehnen. Sie bevorzugen ein unabhängiges Staatsoberhaupt, welches nicht von Parlament und Wahlen abhängig ist und uneingeschränkt führen kann.
Für die Nachwendegeneration im Osten die Bezeichnung „ostdeutsch“ ein Teil ihrer Identität – die Kategorisierung mit „westdeutsch“ für gleichaltrige Westdeutsche jedoch nicht.
Bei der Einschätzung der aktuellen wirtschaftlichen Lage in der jeweiligen Region der Befragten, schätzt besonders die ostdeutsche Nachwende-Generation ihre Stellung schlecht ein. Sie befürchten schlechtere Jobaussichten als die jungen Erwachsenen im Westen zu haben.
Quelle: Otto Brenner Stiftung (2019): OBS-Arbeitsheft 96, Faus, Storks, Frankfurt am Main, S. 27.
Was sind die Gründe für diese Unterschiede?
Bei der Suche nach Gründen für diese Unterschiede, stoßen wir auf folgende Befunde aus der OBS-Studie 2019. Eine zentrale Feststellung der Studie lautet, dass die Ursachen für diese Unterschiede hauptsächlich in der konkreten jeweiligen Situation der Befragten begründet liegen. Die grundsätzliche Demokratiezufriedenheit und das erlebte Gerechtigkeitsempfinden hängen bei den Probanden davon ab, ob sie die wirtschaftliche Lage ihrer Region und ihre dortigen Perspektiven als gut wahrnehmen. Damit ist ihre Beurteilungsgrundlage zunächst unabhängig von West und Ost und liegt im Umkehrschluss mehr an den tatsächlichen Gegebenheiten, die sich scheinbar noch immer in Ost- und Westdeutschland unterscheiden lassen.
Doch auch die eigene Abgrenzung ist besonders im Osten Deutschlands noch immer ein Thema. Das zeigen die enorm großen Unterschiede, die derzeit bei den Einschätzungen und Bewertungen zur Wiedervereinigung bestehen. Hier weichen die Prozentzahlen von Ost und West am stärksten voneinander ab. Für die jüngeren Bürger aus der Nachwendegeneration im Osten ruft die Bezeichnung „ostdeutsch“ eher ein Identitätsgefühl hervor, als das bei der westdeutschen Nachwende-Generation mit der Bezeichnung „westdeutsch“ der Fall ist. Für die Jugend in Ostdeutschland scheint dies immer noch Teil ihrer Identität zu sein und das deutlich stärker, als für dieselbe Generation im Westen Deutschlands.
Angleichung der Lebensverhältnisse
Ungeachtet davon, ob diese Unterschiede nur in den Köpfen der Befragten Ostdeutschen oder tatsächlich bestehen und unabhängig von den entsprechenden Gründen, finden wir: da herrscht Handlungsbedarf! Auch noch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung herrschen nicht hinzunehmende Differenzen und Unterschiede zwischen Ost und West. Die Ergebnisse der Studie zeigen somit, dass die Politik, wir als Bürger und auch die Unternehmen und Organisationen noch immer aufgefordert sind, etwas gegen diese Unterschiede zu tun. Es sollte endlich für eine Angleichung der Lebensverhältnisse gesorgt werden.
Wie bereits erwähnt können auch private Unternehmen und Organisationen zur Verstärkung einer Einheit beitragen. Eine Möglichkeit, um die immer noch bestehenden Differenzen hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation sowie in Bezug auf die Einstellungen zu Politik und Gesellschaft in der jungen Generation zu beseitigen, kann die Einbindung dieses Wertewandels in das Unternehmensleitbild sein. Die eigene Unternehmenskultur darf nicht losgelöst von unserer Gesellschaft betrachtet werden. So sollte auch die Unternehmensführung, das Changemanagement und die Kommunikation in ihrem Unternehmen an die gesellschaftlichen Werte angepasst sein.
Unternehmensleitbild = Ausdruck für gesellschaftliche Verantwortung
Unternehmen müssen ihre Identität in und mit dieser neuen Generation finden und das durch ihre Werte ausdrücken, verinnerlichen und leben. Denn diese Nachwende-Generation ist ein Beispiel für den Wertewandel in dem wir uns aktuell befinden und den auch Ihr Unternehmen zu spüren bekommt. Gleichzeitig wird dadurch die Transformation repräsentiert.
Die Nachwende-Generation steht als Leistungskultur unter einem neuen Blickwinkel. Wir möchten diese Entwicklung mit einem positiven Blickwinkel betrachten, denn für Unternehmen kann das ein Anlass zur Veränderung sein und einen Kulturwandel vorantreiben.
Das Unternehmensleitbild kann als Spiegel der gesellschaftlichen Werte und der Ansichten der eigenen Mitarbeiter angesehen werden und sollte demnach ständig angepasst werden. Ebenso sollte eine Angleichung an den Wertewandel in der Nachwende-Generation, welcher durch die Spaltung von Ost und West geprägt ist, geschehen.
Unternehmensleitbild = Kommunikations-Wirklichkeit gesellschaftlicher Entwicklungen
Die Frage, die wir uns dabei jedoch stellen ist: wie viel Verantwortung hat ein Unternehmen oder eine Organisation überhaupt für den gesellschaftlichen Wandel? Und wie müssen Markenleitbilder von Unternehmen in Ost und West den Wandel zum Ausdruck bringe? Spielt hierbei die Demographie und die Identität der Gesellschaft, insbesondere der Nachwende-Generation, überhaupt eine Rolle?
P A R T I Z I P A T I O N
Nun sind Sie gefragt:
Haben Sie sich in Ihrem Unternehmen mit dem Thema Wertewandel der Nachwende-Generation bereits auseinander gesetzt? Oder können Sie Beispiele liefern, inwiefern sie diese Thematik in ihr Unternehmensleitbild, als Ausdruck für gesellschaftliche Verantwortung, einbezogen haben? Sind Sie der Meinung, dass auch Unternehmen für den gesellschaftlichen Wandel Verantwortung übernehmen müssen? Berichten Sie uns gerne und senden Sie uns eine Mail an kontakt@contas-kg.de mit Ihrer Meinung zu diesem interessanten Thema. Die spannendsten Berichte werden wir in einem weiteren Blogbeitrag zu diesem Thema, wenn gewünscht, in Ihrem Namen veröffentlichen.
(Beitrag von F.E.)