Toxische Stoffe nehmen die Luft zum Atmen: Gelangen sie ins Blut, heften sie sich an die roten Blutkörperchen und verhindern das Andocken von Sauerstoffmolekülen. Der Organismus erstickt. Übertragen auf die organischen Strukturen einer Firma bewirkt eine toxische Führungskultur ähnliches. Sogar die Symptomatik ist vergleichbar: Beklemmung, Atemnot, Schweißausbrüche. Der Mannschaft geht die Luft aus.
Führungskultur: gesund oder toxisch?
Während eine gesunde Führungskultur auf Werten wie Vertrauen, Wertschätzung, Feedback, Motivation und der Übernahme von Eigenverantwortung aufbaut, fußt ihr toxisches Gegenstück auf dem Gegenteil:
- Kontrolle
- Beharren auf Hierarchien
- Kontrolle
- Anordnung von Aufgaben
- Kontrolle
Bereits bei niedriger Dosis hat eine toxische Führungskultur Folgen. Ein Sachverhalt, den Robert I. Sutton, Professor für Management, Wissenschaft und Technik an der amerikanischen Universität Stanford, in seinem Buch „Der Arschloch-Faktor“ beschreibt.
Toxische Führungskultur: Wenn der Firma die Luft ausgeht
Richtig gelesen: Selbst Stanford-Gelehrte schrecken vor derben Ausdrücken nicht zurück, wenn ihnen etwas auf die Nerven geht. In diesem Fall sind es Egomanen in der Chefetage, die mit ihrem Gift wirtschaftliche Schäden anrichten: Tyrannische Chefs saugen die Leistungsfähigkeit ihrer Teams aus, sagt Sutton. Weil sie Energie von den eigentlichen Aufgaben weglenken hin zu egozentrischen Nebenkriegsschauplätzen. Die Folge: Innovationen bleiben aus oder werden nur halbherzig umgesetzt. Der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit droht.
Das ist in Zeiten der digitalen Transformation besonders kritisch. Denn nie war die Innovationsbereitschaft der Mitarbeiter mehr gefordert, um als Experten auf Augenhöhe mit Führungskräften in vernetzten Projektstrukturen zu arbeiten: Produktzyklen verkürzen sich, Unternehmens-Prozesse erfordern aufgrund neuer Techniken neue Kompetenzen. Hier kommt es umso mehr auf Mitarbeiter an, die hinter ihrer Firma stehen.
Toxische Führungskultur versus gesunde Führungskultur
Die Voraussetzung dafür ist ein gesunder Führungsstil. Über das Thema wird bei Kongressen, Symposien oder Fachveranstaltungen aktuell viel diskutiert. Doch in den Unternehmen angekommen, ist es noch nicht. Das beweist ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit. Die Rede ist von der in der Presse veröffentlichten Entlassung der Konsum-Chefin Schumann in Leipzig: Statt einer Kultur der gegenseitigen Wertschätzung schuf sie eine Vorgabe- und Angstkultur.
Doch soweit darf es gar nicht erst kommen. Daher sollten Unternehmen die gelebte Kultur und ihre Werte regelmäßig einem „Toxin-Test“ unterziehen:
- Hat die Firma ein werteorientiertes Leitbild, das den Maßstab für ein mitarbeiterorientiertes Handeln setzt?
- Gibt es ein Führungskräfteentwicklungsprogramm, das unterstützt, genau dieses Leitbild im Unternehmensalltag zu verankern?
- Ist das Anreizsystem für Führungskräfte an das Unternehmensleitbild und dessen Wertekultur gekoppelt?
Toxische Führung: Der externe Blick kann helfen
Oftmals gelingt die Beantwortung dieser Fragen nur mit externer Hilfe. Denn: Unternehmenslenker haben als Teil des Firmengefüges selten einen unverstellten Blick auf ihr Unternehmen und die Stimmung in der Belegschaft. Folglich können sie nur schwer eine Antwort auf die Frage finden: Was bremst uns und was würde uns antreiben, die Extrameile zu gehen?
Dazu bedarf es einer genauen Analyse. Auf dieser Grundlage kann das Management ein neues zielführendes Werteverständnis erarbeiten und dieses in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Teams umsetzen. Der Vorteil: Am Ende ist es nicht der Vorgesetzte, der die Umgangsregeln überstülpt, sondern sie entstehen aus den Teams heraus – das erhöht die Akzeptanz.
Folgende Fragen sollten dazu beantwortet werden:
- Wie wollen wir untereinander und miteinander arbeiten?
- Wie gehen wir miteinander um?
- Wie, wie oft und in welcher Besetzung kommunizieren wir miteinander?
- Was sind die Grundpfeiler unserer Firmenkultur?
Toxische Führungskultur: Am neuralgischen Punkt ansetzen
Der neuralgische Punkt, an dem zuerst angesetzt werden muss, ist die Geschäftsleitung selbst. Toxische Chefs können nicht loslassen, sind misstrauisch, überprüfen und hinterfragen jeden Schritt ihrer Mitarbeiter und greifen als Mikromanager auch ins Tagesgeschäft ein. Das sorgt für Stress und Demotivation.
Das Gegenmittel heißt Vertrauen. Die Aufgabe der Führungskraft ist es, loszulassen und Verantwortung zu übertragen. Hierzu bedarf es motivierender und vertrauensvoller Arbeitsbedingungen und ‑kultur, die die Führungskraft mit dem Team eruieren und umsetzen muss.
Toxische Führung auflösen durch eine Kultur des Vertrauens
Welche kulturellen Voraussetzungen braucht also das Team, um die gewünschte Performance zu bringen? Um hierauf Antworten zu finden, stehen dem Management innovative Analysetools zur Verfügung.
- Interne Kundendialoge und Dialoginterviews etwa.
- Anonyme Mitarbeiterbefragungen geben überdies Aufschluss, an welcher Stelle die Giftpfeile sitzen.
- Auch sogenannte Cultural Days können Positives bewirken. Hier lässt im gemeinsamen Diskurs klären, welche kulturellen und organisatorischen Voraussetzungen nötig sind, um das angespannte Miteinander zu entlasten.
Toxische Führungskultur: Chefs müssen mit gutem Vorbild vorangehen
In diesem Zusammenhang sollten Chefs auch die eigene Vorbildfunktion nicht unterschätzen. Denn die Werte und Verhaltensmuster, die sie ins Unternehmen tragen, werden ihnen auch entgegen gebracht. Insofern ist es überdies ratsam, sich auch innerhalb einer Abteilung in einem Teamzirkel auf Verhaltensweisen zu einigen, die gegenseitige Wertschätzung vermitteln.
Hier erhalten Mitarbeiter die Gelegenheit, ihre Erwartungen gegenüber dem Chef zu spiegeln, aber auch umgekehrt. Mitarbeiter und Führungskraft mentorieren einander in diesem Prozess zugunsten einer größeren gegenseitigen Achtsamkeit und Aufmerksamkeit. Und so geht die Rechnung nach und nach auf: Von der toxischen, über die Reflexionskultur hin zur Kultur authentischer Wertschätzung.