„Ist denn schon Halloween?“, mag sich der eine oder andere Zuschauer der Tagesschau gefragt haben, als am vorletzten Sonntag ein Beinpaar ohne Oberkörper für wenige Sekunden auf dem Bildschirm zu sehen war. Wenig später lüfteten die Macher der Nachrichtensendung das Geheimnis. Kein verfrühter Halloween-Scherz oder gar eine Fernseh-Panne, sondern Teil eines „ausgeklügelten“ Change Managements. Denn ab sofort zeigen die Tagesschau-Moderatoren Bein. Und ab hier wird es eigentlich erst so richtig gruselig.
Nein, nicht etwa, weil die Tagesschau Sprecher nunmehr auch ihre Unterbekleidung ins Scheinwerferlicht halten dürfen. Ganz ehrlich? Das ist Jacke wie Hose! Die Tatsache, dass um eine so geringfügige Änderung solch ein Wirbel veranstaltet wird, hat den eigentlichen Gruselfaktor.
Tagesschau: Alles für die Medienresonanz?
Die Macher der Tagesschau bekamen die Medienresonanz, die sie wollten. Mitunter namhafte Blätter wie FOCUS, STERN und SPIEGEL berichteten über die „Sensation“. Auf Twitter überschlugen sich die Meldungen. Aber für was?
Für wenige Sekunden Neuerung, die marginaler nicht sein könnten! Der STERN kommentierte das mit süffisantem Unterton: „Über 60 Jahre lang änderte sich in der Tagesschau eines nicht: Die Moderatoren saßen immer vor einem Pult und trugen so die Nachrichten des Tages vor. Doch jetzt traut man sich was in der ARD: Wie schon seit Tagen angeteasert, dürfen die Sprecher in Zukunft aufstehen. Bei den 20-Uhr-Nachrichten am Sonntag war es dann soweit: Jan Hofer stand ganz zum Schluss nach der Wettervorhersage erstmals neben dem Pult. Er trug einen dunkelblauen Anzug mit passender Hose und moderierte die Schwerpunkte der Tagesschau an. Das Ganze dauerte nur wenige Sekunden – und war ziemlich unspektakulär.“
Tagesschau: Wir haben andere Probleme als ein Paar Beine
Was aber, wenn das Tagesschau-Phänomen stellvertretend für das steht, was in Deutschland allgemeinhin unter Change verstanden wird? Leider ist das nicht sonderlich weit her geholt. Denn die Quote gescheiterter Change-Projekte liegt seit Jahren auf einem erschreckend hohen Niveau.
Und hier geht der Grusel richtig los. Ganz Deutschland steht aktuell vor Herausforderungen, die größer nicht sein könnten. Einmal ganz abgesehen von den nicht abreißen wollenden Flüchtlingsströmen, die für eine erhebliche gesellschaftliche Veränderung sorgen, steht die Wirtschaft infolge der digitalen Transformation und Globalisierung vor einem nie dagewesenen Wandel: Prozesse werden schneller, komplexer und immer schwerer beherrschbar.
Tagesschau: Wandel wohin das Auge blickt
Zeitgleich fehlt es überall an Fachkräften. Das sind die wahren Changethematiken, die Gesellschaft, Politik und Wirtschaft umtreiben. Und die Tagesschau, die nicht näher am Puls der Zeit sitzen könnte, weil sie tagein tagaus über nichts anderes berichtet, erhebt nun paradoxerweise ein paar Hosen zum Change-Faktor!?! Das sorgt für unangenehme Schauer.
Denn es zeigt, wie weit entfernt selbst die „Aufklärer“ unserer Zeit entfernt sind von einem echten Verständnis des auf Hochtouren laufenden Werte- und Kulturwandels. Und damit stehen sie leider nicht alleine da.
„Die Unternehmen haben gewaltige Summen in Tools und Trainings investiert. Trotz dieser Anstrengungen und Tausenden von Büchern zum Thema (bei Amazon sind es mehr als 83.000!) zeigen die meisten Studien, dass immer noch zwischen 60 und 70 Prozent aller Change-Projekte in Unternehmen scheitern. Dieser Anteil ist seit den 1970er Jahren konstant“, beklagte beispielsweise Ron Ashkenas, Managing Partner der Unternehmensberatung Schaffer Consulting einst im Harvard Business Manager.
Tagesschau-Phänomen: Es hapert an einer Manager Ausbildung
Weiter heißt es hier: „Unser theoretisches Wissen über Change-Management ist ziemlich ausgereift. Aber die Fähigkeiten der Manager, dies umzusetzen, sind über die Jahre ausbaufähig geblieben. Wir haben versäumt, die Fähigkeit von Managern zu stärken, Veränderung zu managen. Stattdessen haben wir ihnen erlaubt, diese Prozesse outzusourcen und Berater zu beauftragen, statt sie selbst in die Pflicht zu nehmen. Dieser Ansatz funktioniert oft nicht.“
Zwei Jahre sind diese Zitate nun alt und das erschreckende ist: Zwar ist seitdem der Wandel in überschallartiger Geschwindigkeit vorangegangen. In der Management Ausbildung hat sich seitdem aber nicht wirklich etwas getan. Und so wird die Lücke, die zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft, von Tag zu Tag größer. Und da sollen wir nun die neue Beinfreiheit in der Tagesschau bejubeln?
Tagesschau-Phänomen: Welche Weichen gestellt werden müssen…
Nein, hier gibt es nichts zu bejubeln angesichts einer solch fehlgeleiteten Auffassung von Change, die der Welt auch noch als spektakuläre Neuerung verkauft werden soll. Wirklich spektakulär wäre es hingegen, sich den Kernproblemen unserer Zeit zu widmen und Lösungen zu finden.
- Haben Manager einen gemeinsamen Rahmen, eine gemeinsame Sprache und die richtigen Werkzeuge, um tiefgreifende Veränderungen zu managen?
- Haben sie ein gemeinsames Set von Definitionen und Ansätzen mit denen jeder in der Abteilung vertraut ist?
- Wie stark sind die Change-Pläne innerhalb eines Unternehmens mit den übrigen Projekt-Plänen verknüpft?
- Sind diese Prozesse integriert, oder laufen sie parallel?
Um diese Fragen einer Lösung zuzuführen, muss Change-Management zu einem wesentlichen Bestandteil des Geschäftsmodells gemacht werden und nicht als beiläufiges Projekt nebenbei gemanagt werden.
Im ersten Schritt müssen Geschäftsführung und Management dafür sensibilisiert werden, dass der Wandel nur gelingen kann, wenn sie die Verantwortung dafür übernehmen, dass die nötigen Veränderungen systematisch und gründlich umgesetzt werden. Sonst bleibt es in den Chefetagen wie in der Tagesschau weiterhin bei einem ähnlich kopflosen Gruselkabinett. Doch eines muss klar sein: Ein Vorgehen ohne Kopf und Verstand kostet langfristig die Wettbewerbsfähigkeit. Und das ist der wahre Horror.
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