Tages­schau: Chan­ge Manage­ment mit Gruselfaktor

Veröffentlicht am 04.11.2015
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„Ist denn schon Hal­lo­ween?“, mag sich der eine oder ande­re Zuschau­er der Tages­schau gefragt haben, als am vor­letz­ten Sonn­tag ein Bein­paar ohne Ober­kör­per für weni­ge Sekun­den auf dem Bild­schirm zu sehen war. Wenig spä­ter lüf­te­ten die Macher der Nach­rich­ten­sen­dung das Geheim­nis. Kein ver­früh­ter Hal­lo­ween-Scherz oder gar eine Fern­seh-Pan­ne, son­dern Teil eines „aus­ge­klü­gel­ten“ Chan­ge Manage­ments. Denn ab sofort zei­gen die Tages­schau-Mode­ra­to­ren Bein. Und ab hier wird es eigent­lich erst so rich­tig gruselig.

Nein, nicht etwa, weil die Tages­schau Spre­cher nun­mehr auch ihre Unter­be­klei­dung ins Schein­wer­fer­licht hal­ten dür­fen. Ganz ehr­lich? Das ist Jacke wie Hose! Die Tat­sa­che, dass um eine so gering­fü­gi­ge Ände­rung solch ein Wir­bel ver­an­stal­tet wird, hat den eigent­li­chen Gru­sel­fak­tor.

Tages­schau: Alles für die Medienresonanz?

Die Macher der Tages­schau beka­men die Medi­en­re­so­nanz, die sie woll­ten. Mit­un­ter nam­haf­te Blät­ter wie FOCUSSTERN und SPIE­GEL berich­te­ten über die „Sen­sa­ti­on“. Auf Twit­ter über­schlu­gen sich die Mel­dun­gen. Aber für was?

Für weni­ge Sekun­den Neue­rung, die mar­gi­na­ler nicht sein könn­ten! Der STERN kom­men­tier­te das mit süf­fi­san­tem Unter­ton: „Über 60 Jah­re lang änder­te sich in der Tages­schau eines nicht: Die Mode­ra­to­ren saßen immer vor einem Pult und tru­gen so die Nach­rich­ten des Tages vor. Doch jetzt traut man sich was in der ARD: Wie schon seit Tagen ange­teasert, dür­fen die Spre­cher in Zukunft auf­ste­hen. Bei den 20-Uhr-Nach­rich­ten am Sonn­tag war es dann soweit: Jan Hofer stand ganz zum Schluss nach der Wet­ter­vor­her­sa­ge erst­mals neben dem Pult. Er trug einen dun­kel­blau­en Anzug mit pas­sen­der Hose und mode­rier­te die Schwer­punk­te der Tages­schau an. Das Gan­ze dau­er­te nur weni­ge Sekun­den – und war ziem­lich unspek­ta­ku­lär.“

Tages­schau: Wir haben ande­re Pro­ble­me als ein Paar Beine

Was aber, wenn das Tages­schau-Phä­no­men stell­ver­tre­tend für das steht, was in Deutsch­land all­ge­mein­hin unter Chan­ge ver­stan­den wird? Lei­der ist das nicht son­der­lich weit her geholt. Denn die Quo­te geschei­ter­ter Chan­ge-Pro­jek­te liegt seit Jah­ren auf einem erschre­ckend hohen Niveau.

Und hier geht der Gru­sel rich­tig los. Ganz Deutsch­land steht aktu­ell vor Her­aus­for­de­run­gen, die grö­ßer nicht sein könn­ten. Ein­mal ganz abge­se­hen von den nicht abrei­ßen wol­len­den Flücht­lings­strö­men, die für eine erheb­li­che gesell­schaft­li­che Ver­än­de­rung sor­gen, steht die Wirt­schaft infol­ge der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on und Glo­ba­li­sie­rung vor einem nie dage­we­se­nen Wan­del: Pro­zes­se wer­den schnel­ler, kom­ple­xer und immer schwe­rer beherrschbar.

Tages­schau: Wan­del wohin das Auge blickt

Zeit­gleich fehlt es über­all an Fach­kräf­ten. Das sind die wah­ren Chan­ge­the­ma­ti­ken, die Gesell­schaft, Poli­tik und Wirt­schaft umtrei­ben. Und die Tages­schau, die nicht näher am Puls der Zeit sit­zen könn­te, weil sie tag­ein tag­aus über nichts ande­res berich­tet, erhebt nun para­do­xer­wei­se ein paar Hosen zum Chan­ge-Fak­tor!?! Das sorgt für unan­ge­neh­me Schauer.

Denn es zeigt, wie weit ent­fernt selbst die „Auf­klä­rer“ unse­rer Zeit ent­fernt sind von einem ech­ten Ver­ständ­nis des auf Hoch­tou­ren lau­fen­den Wer­te- und Kul­tur­wan­dels. Und damit ste­hen sie lei­der nicht allei­ne da.

„Die Unter­neh­men haben gewal­ti­ge Sum­men in Tools und Trai­nings inves­tiert. Trotz die­ser Anstren­gun­gen und Tau­sen­den von Büchern zum The­ma (bei Ama­zon sind es mehr als 83.000!) zei­gen die meis­ten Stu­di­en, dass immer noch zwi­schen 60 und 70 Pro­zent aller Chan­ge-Pro­jek­te in Unter­neh­men schei­tern. Die­ser Anteil ist seit den 1970er Jah­ren kon­stant“, beklag­te bei­spiels­wei­se Ron Ash­ke­nas, Mana­ging Part­ner der Unter­neh­mens­be­ra­tung Schaf­fer Con­sul­ting einst im Har­vard Busi­ness Mana­ger.

Tages­schau-Phä­no­men: Es hapert an einer Mana­ger Ausbildung

Wei­ter heißt es hier: „Unser theo­re­ti­sches Wis­sen über Chan­ge-Manage­ment ist ziem­lich aus­ge­reift. Aber die Fähig­kei­ten der Mana­ger, dies umzu­set­zen, sind über die Jah­re aus­bau­fä­hig geblie­ben. Wir haben ver­säumt, die Fähig­keit von Mana­gern zu stär­ken, Ver­än­de­rung zu mana­gen. Statt­des­sen haben wir ihnen erlaubt, die­se Pro­zes­se out­zu­s­our­cen und Bera­ter zu beauf­tra­gen, statt sie selbst in die Pflicht zu neh­men. Die­ser Ansatz funk­tio­niert oft nicht.“

Zwei Jah­re sind die­se Zita­te nun alt und das erschre­cken­de ist: Zwar ist seit­dem der Wan­del in über­schall­ar­ti­ger Geschwin­dig­keit vor­an­ge­gan­gen. In der Manage­ment Aus­bil­dung hat sich seit­dem aber nicht wirk­lich etwas getan. Und so wird die Lücke, die zwi­schen Anspruch und Wirk­lich­keit klafft, von Tag zu Tag grö­ßer. Und da sol­len wir nun die neue Bein­frei­heit in der Tages­schau bejubeln?

Tages­schau-Phä­no­men: Wel­che Wei­chen gestellt wer­den müssen…

Nein, hier gibt es nichts zu beju­beln ange­sichts einer solch fehl­ge­lei­te­ten Auf­fas­sung von Chan­ge, die der Welt auch noch als spek­ta­ku­lä­re Neue­rung ver­kauft wer­den soll. Wirk­lich spek­ta­ku­lär wäre es hin­ge­gen, sich den Kern­pro­ble­men unse­rer Zeit zu wid­men und Lösun­gen zu finden.

  • Haben Mana­ger einen gemein­sa­men Rah­men, eine gemein­sa­me Spra­che und die rich­ti­gen Werk­zeu­ge, um tief­grei­fen­de Ver­än­de­run­gen zu managen?
  • Haben sie ein gemein­sa­mes Set von Defi­ni­tio­nen und Ansät­zen mit denen jeder in der Abtei­lung ver­traut ist?
  • Wie stark sind die Chan­ge-Plä­ne inner­halb eines Unter­neh­mens mit den übri­gen Pro­jekt-Plä­nen verknüpft?
  • Sind die­se Pro­zes­se inte­griert, oder lau­fen sie parallel?

Um die­se Fra­gen einer Lösung zuzu­füh­ren, muss Chan­ge-Manage­ment zu einem wesent­li­chen Bestand­teil des Geschäfts­mo­dells gemacht wer­den und nicht als bei­läu­fi­ges Pro­jekt neben­bei gema­nagt werden.

Im ers­ten Schritt müs­sen Geschäfts­füh­rung und Manage­ment dafür sen­si­bi­li­siert wer­den, dass der Wan­del nur gelin­gen kann, wenn sie die Ver­ant­wor­tung dafür über­neh­men, dass die nöti­gen Ver­än­de­run­gen sys­te­ma­tisch und gründ­lich umge­setzt wer­den. Sonst bleibt es in den Chef­eta­gen wie in der Tages­schau wei­ter­hin bei einem ähn­lich kopf­lo­sen Gru­sel­ka­bi­nett. Doch eines muss klar sein: Ein Vor­ge­hen ohne Kopf und Ver­stand kos­tet lang­fris­tig die Wett­be­werbs­fä­hig­keit. Und das ist der wah­re Horror.

Wie nut­zen Sie ihren stra­te­gi­schen Pro­zess, um auf der Grund­la­ge eines moder­nen Füh­rungs­ver­stand­nis­ses als Qua­li­täts­ser­vice ein gene­ra­tio­nen­ge­rech­tes FKE Pro­gramm zu etablieren?

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